Lebenslauf
Marianne Pollack wurde am 19. Dezember 1913 in Prag geboren. Sie war die Tochter von Joseph Pollak und Valerie Kafka.
Ihre Eltern wurden 1941 in das Ghetto von Lodz deportiert. Für eine kleine Zeitspanne lebten sie dort gleichzeitig mit ihrer Tante Gabriele und deren Tochter Hanna. Ihre Mutter wurde aller Wahrscheinlichkeit nach im Herbst 1942 im Vernichtungslager Chelmno ermordet.
Als junge Frau lernte sie ihren späteren Mann George im Prager Heinesaal kennen. Er agierte als Juniorchef des, neben Kniše, vornehmsten Prager Herrenausstatters Barta & Co. Im Jahre 1939 floh das erst kurz verheiratete Paar vor den Nazis nach London. Nach dem Krieg kehrten die beiden nach Prag zurück. Doch schon 1948 emigrierten sie nach dem stalinistischen Gottwald-Putsch, diesmal mit ihrem kleinen Sohn Michael, wieder nach England. Diesmal sollten sie für immer bleiben.
Erinnerungen an Onkel Franz
Die Mutter von Marianne Steiner war Franz Kafkas zweite Schwester Valerie, genannt Valli. Ihr Onkel Franz hielt bei ihrer Hochzeit mit Joseph Pollak die Hochzeitsrede.
Die Erinnerungen an ihren Onkel Franz, der starb, als sie 11 Jahre alt war, sind scheinbar “typisch”, aber auch individuell:
“Das bekannte Bild mit dem Hut und dem schwarzen Mantel auf dem Altstädter Ring – so habe ich ihn in Erinnerung.”
Außerhalb der Familie wurde wohl selten über ihn gesprochen, aber natürlich die Schwestern, die sagten … “Franz würde raten ... Franz hatte gerne Dickens, also lesen wir jetzt Dickens.‹ Aber weiter habe ich mich mit ihm nie beschäftigt; auch verstand ich seine Bücher nicht; erst das Leben hat mich gelehrt zu verstehen, worüber er eigentlich schreibt.”
Franz Kafka über seine Nichte Marianne
Franz Kafka schreibt in seinen Tagebüchern über seine Nichte Marianne:
…Der Anblick der Kinder, besonders eines Mädchens (aufrechter Gang, kurze schwarze Haare) ...
Anlass dieser Skizze war die Kinderpurimfeier im Prager Heidesaal im Jahre 1922.
Sogar die Presse vermerkte damals … die klare und reine Vorlesung der Purimgeschichte durch die kluge Marianne Pollak.
Ein Jahr vor seinem Tod fragte Franz Kafka noch mittels eines Briefes aus Berlin in Bezug auf seine Nichte Marianne:
"Was liest sie? Tanzt sie noch?"
Pflegerin des Nachlasses von Franz Kafka
Am Tag der deutschen Okkupation eilt sie zum Prager Wilson-Bahnhof, um sich von den prominenten Zionisten zu verabschieden. Felix Weltsch und Max Bord sind da, und viele andere. Brod hat als Reisegepäck einen Koffer voller Schuhschachteln: Kafkas Manuskripte.
Marianne Steiner war sehr ausdauernd, als es darum ging, dem Verleger Schocken wertvolle Handschriften ihres Onkels zu entlocken, die von unschätzbarem Wert sind. Max Brod übergab sie 1956 zu treuen Händen Schocken in Verwahrung. Dieser deponierte sie in seinem amerikanischen Palais in Jerusalem. Später transferierte er das kostbare Gut in seine Schweizer Bank.
Schließlich gab es einige Auseinandersetzungen, ein richtiggehendes Hickhack, bis der mächtige Herr Schocken nachgab und Marianne Steiner die originalen Handschriften übergab.
Schocken meinte über das Auftreten von Marianne Steiner:
“Ich verstehe die Erregung der Frau Steiner. Aber ich entsinne mich nicht, daß in meiner fünfzigjährigen Berufsarbeit jemand in einer solchen Sprache mit mir gesprochen hat.”
Mit ihrer Cousine Gertie machte sie Anfang der 1970´er Jahre die Manuskripte ihres Onkels der Öffentlichkeit zugänglich. Michael Steiner ist heute der Verwalter des Erbes.
Ein Dokumentarfilm über sie hat einen Tag vor ihrem Tod Premiere
Zu ihren Freunden in Deutschland gehörten Klaus Wagenbach, der Verleger und Autor der einzigartigen Jugendbiographie von Franz Kafka, sowie Katja Wagenbach und Hans-Gerd Koch, der Kafkas Briefe herausgegeben hat.
Am 7. November 2000 führte Hans-Gerd Koch im Prager Goethe-Institut einen Interviewfilm vor: “Besuch bei Kafkas Nichte” Marianne Steiner war es nicht möglich, die Veranstaltung zu besuchen. Sie freute sich aus der Ferne über den Abend. Sie starb einen Tag später, am 8. November 2000, in London.
"Der Prozess" entstand zum Teil in der Wohnung der Eltern von Marianne
Weblinks und Quellen
Wir erinnern uns
Sie sind eingeladen, Ihre persönliche Erinnerung an
Marianne Steiner nieder zu schreiben.